Eines Tages besuchte Herr K. einen alten Freund, der einer Weile schon in einem Pflegeheim lebte. Sie kannten sich viele Jahre und waren so vertraut, dass sie einander auch unangenehme Wahrheiten sagen konnten. Während des Besuchs kam ein freundlicher, schwarzer Pfleger ins Zimmer, brachte die Tabletten für den nächsten Tag, plauderte ein wenig mit ihnen und ging dann weiter, wobei er vergaß eine kleine Tasche mitzunehmen.
Einige Zeit später kam die Hausdame, um den Speiseplan für die nächste Woche zu bringen. Auch die plauderte kurz mit den beiden und als sie das Zimmer verlassen wollte, sagte der Freund von Herrn K.: „Ach, sagen Sie dem Bimbo doch, dass er hier seine Tasche vergessen hat.“
Fröhlich antwortete sie: „Mache ich“.
Herr K. war fassungslos.
Der Freund wollte weiterreden, so als sei nichts geschehen, aber Herr K. unterbrach ihn und stotterte: „Aber Franz, du kannst doch den Schwarzen nicht ‚Bimbo‘ nennen.“
Jetzt war es an Franz irritiert zu schauen, aber schnell huschte ein Lächeln über sein Gesicht und er erwiderte: „Aber der heißt so!“
Nach kurzer Verblüffung verteidigte Herr K. seine Aussage: „Ja aber, Du weißt auch, weshalb er sich so nennt, die alten Leute haben ihn vermutlich immer als ‚Bimbo‘ angeredet und er hat sich dann den Namen zu eigen gemacht. Das ist doch furchtbar, das ist rassistisch.“
Franz schwieg eine Weile, bevor er anmerkte: „Das kann man so sehen, aber war das Wort ‚schwul‘ nicht auch ein furchtbares Schimpfwort, bevor die Schwulenbewegung es durch Vereinnahmung davon befreite?“
Herr K. schwieg.
„Und“, schob Franz hinterher als Herr K. zu einer Antwort ansetzte, „ist es nicht eine Art Postkolonialismus, wenn wir den Schwarzen vorschreiben, wie sie sich zu nennen haben und wie nicht?“
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