Zweimal im Leben war Herr K. bei einem Konzertbesuch den Tränen nahe. Das erste Mal bei einer Tanzchoreografie von Sascha Waltz zu ‚Ein Deutsches Requiem‘ und das zweite Mal am vergangenen Sonntag bei ‚Waldstein‘ von Vincent Sebastian Andreas.
Waldstein ist eine grandiose, hochemotionale Symbiose von Literatur und Musik. Es reichte an diesem Abend ein Flügel mit der Pianistin Hansol Cho, der Kammerchor Nikolassee dem Dirigenten und Komponisten Andreas und vorher: unfassbar viel Arbeit.
Vincent Sebastian Andreas Idee war so einfach wie brillant: Goethes „Leiden des jungen Werther“ auf 90 Minuten gekürzt, ohne ein Wort hinzuzufügen und dennoch die ganze Geschichte zu erzählen, wird vom Kammerchor Nikolassee nach seinem Arrangement gesungen und das Ganze wird mit vier Klaviersonaten von Beethoven hinterlegt. Die namensgebende Waldsteinsonate bildet dabei den Höhe- und Schlusspunkt. Verblüffend dabei ist, dass die Musik der vier Sonaten so perfekt auf den Text zu passen scheint, dass man fast annehmen konnte, Beethoven habe sie dafür geschrieben. Das Gesangsarrangement – sehr herausfordernd für jeden Chor – legt sich dabei über Beethoven, wie eine wärmende Daunendecke.
Der Gesamteindruck: Überwältigend.
Herr K. war nicht allein mit seiner Emotionalität. Ein junger Zuhörer brach während des Konzertes in Tränen aus und eine andere Zuhörerin meinte anschließend, dass es sinnvoll gewesen wäre die Nummer der Telefonseelsorge auf das Programmheft zu drucken.
Tatsächlich löste die Musik bei Herrn K. Erinnerungen an die Zeit aus, wo auch er bereit gewesen wäre, für die Liebe zu sterben.
Es scheint aber keine zusammenhängenden Todesfälle mit den drei Konzerten gegeben zu haben und so kann man nur hoffen, dass dieses Werk nicht der Vergessenheit anheim fällt, sondern eine Wiederauferstehung auf großer Bühne erlebt.
Es wäre es wert!
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