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Bemerkungen zum Krieg (7)

Heute möchte ich es kurz halten, will aber einen Gedanken den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten. Er stammt wohlgemerkt nicht von mir, sondern wurde Sonntagabend beim sechsten Berliner Tafelgespräch von einem Teilnehmer eingebracht und diskutiert.

Die These lautet:

Der Ukrainekrieg ist der zweite und letzte Akt des endgültigen Zusammenbruchs der Sowjetunion.

So wie Deutschland nach der demütigenden Niederlage des ersten Weltkriegs von einem ‚Zurück‘ zu vermeintlicher Größe phantasierte und den zweiten Weltkrieg brauchte, um zu begreifen, dass das nicht möglich ist, so geht es Russland heute.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde (wird) von der herrschenden Klasse in Russland als Schmach und Schande wahrgenommen und mit dem Ukrainekrieg sollte der Zustand alter imperialer Größe wiederhergestellt werden.

Da dieser Krieg, unabhängig vom Ausgang, für Russland m.E. bereits verloren ist, (siehe: Bemerkungen zum Krieg (1) – Peter K.), könnte sich das Land anschließend neu – hoffentlich besser – erfinden. Das ist jedenfalls meine optimistische Interpretation.

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Herr K. und die Bücherfrage

Herr K. war bei einer Familie mit zwei Jugendlichen zum Abendessen eingeladen. Es ist eine Familie in der viel diskutiert wird und so entspann sich nach kurzer Zeit ein heftige Diskussion über den richtigen Umgang mit Sprache. Die Jugendlichen kritisierten aufs Schärfste, dass alte Bücher mit rassistischen, fremden- oder frauenfeindlichen Ausdrücken heute noch erscheinen dürften. Sie forderten die Entfernung oder mindestens die Überarbeitung solcher Bücher, um Rassismus, Fremden- und Frauenfeindlichkeit keinen Platz zu geben. Der Hinweis des Vaters, dass dies verdammt viel Ähnlichkeit mit der Bücherverbrennung der Nazis hätte, wurde mit großer moralischer Empörung zurückgewiesen, denn die jungen Leute wären schließlich gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und die Nazis hätten genau das Gegenteil gewollt. Als darauf der Vater äußerte, dass die Nazis wahrscheinlich auch dachten, das Richtige zu vertreten, eskalierte die Situation und die beiden Jugendlichen verließen empört den Tisch.

Die Mutter, die versucht hatte, die Situation zu beruhigen, sagte zu ihrem Mann: „Du bist zu weit gegangen.“

Noch erregt von der Diskussion erwiderte der Vater: „Vielleicht, aber ich habe mühsam lernen müssen, dass die Welt nicht durch Worte besser wird, sondern nur durch Taten. Das waren bittere Erfahrungen, aber an ihnen bin ich gereift. Unseren oberschlauen Kindern fehlt es an Reife und Menschenkenntnis.“

Daraufhin wendete er sich an Herrn K., der die Diskussion schweigend verfolgt hatte und fragte: „Oder, was meinen sie Herr K.?“

„Nun“, sagte Herr K. lächelnd, „junge Menschen halten sich für oberschlau und alte meist für weise, vermutlich irren sie sich beide.“

Auch interessant: Herr K. und was es bedeutet, eine Partnerschaft zu führen – Peter K.

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Herr K. und Herr Döpfner

Seit gestern herrscht große Aufregung über bekannt gewordene, private Bemerkungen des Zeitungsverlegers Matthias Döpfner. Die Empörungswelle schwappt hoch. Aus seinen publizierten Bemerkungen wird auf ein verächtliches Menschenbild geschlossen und überhaupt, so der Tenor, müsse Herr Döpfner ein ganz fieser Kerl sein.

Herr K. schüttelt den Kopf. „Jeder hat im privaten Raum schon Bemerkungen gemacht, die nicht nur politisch inkorrekt, sondern für sich genommen, zutiefst verachtenswert sind. Allein deshalb auf einen schlechten Charakter zu schließen, ist vorschnell.“

Weil er das Befremden der Freunde über seine Äußerung spürt, erklärt er: „Man denke nur an die unzähligen Beschimpfungen im Straßenverkehr, von denen die meisten, Gott sei Dank, ungehört hinter Windschutzscheiben verhallen.“

„Wie können Sie diesen Mann in Schutz nehmen?“, fragt jemand verächtlich.

Unbeirrt fährt Herr K. fort: „Mein Mitleid mit Herrn Döpfner hält sich in Grenzen. Im Gegenteil, ich kann mir eine klammheimliche Freude nicht verkneifen, denn nun ereilt ihn endlich dasselbe Schicksal, das seine Zeitung anderen täglich zufügt.“

Nach einer Pause ergänzt er bedauernd:

„Ich habe aber Zweifel, dass diese Erfahrung ihm eine Lehre sein wird.“

Nachtrag: Hier findet sich die Reaktion von Herrn Döpfner

auch interessant: Herr K. und der Splitter – Peter K.

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Herr K. und der Splitter

Die mehr oder weniger demonstrativ zur Schau gestellte moralische Überlegenheit der Menschen geht mir gehörig auf den Wecker,“ schimpfte ein Freund von Herrn K.. „Die einen fühlen sich überlegen, weil sie mit dem Fahrrad fahren, die anderen, weil sie sich auf Autobahnen festkleben und die dritten, weil sie kein Fleisch essen. Und am Schlimmsten sind die, die dann selbstgerecht mit dem Finger auf dich zeigen, wenn du zu MacDonald gehst. Jeder sieht den Splitter im Auge des anderen, aber alle schaffen es, locker den Balken im eigenen Auge zu übersehen. Krass.“

„Ja“, antwortete Herr K. „das geht mir genau so.“

„Aber“, fügte Herr K. nachdenklich hinzu, „wir sehen auch nur den Splitter im Auge des anderen.“

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Herr K. und der Kellner

Herr K. machte zusammen mit einem Begleiter ein paar Tage Ferien in der brandenburgischen Provinz. Nach einer anstrengenden Wanderung suchten sie ein Restaurant, was sich schwieriger als erwartet gestaltete, denn es gab nur wenige davon in der kleinen Stadt. Schließlich fanden sie eines mit bürgerlicher Küche und angenehmen Ambiente. Es war voll und so gab es nur an der Theke zwei freie Plätze. Sie bestellten einen mittelmäßigen Rotwein, dazu ein Kotelett mit Pilzrahmsauce und begannen, wie es bei Herrn K. und seinem Begleiter üblich zu diskutieren. Sie sprachen über Fontane, über die Übertreibungen der Medien, über Relevanz und Irrelevanz von Kausalzusammenhängen und streiften sogar die Kant’schen Urteile a priori.

Ein junger Kellner hinter der Theke folgte offensichtlich neugierig ihrer Diskussion und versuchte etwas unbeholfen und ein bisschen aufdringlich, sich am Gespräch zu beteiligen.

Herr K. und sein Begleiter befürchteten, dass der junge Mann sie mit dummen Stammtischparolen zutexten wolle und wichen den Anknüpfungsversuchen so gut es ging aus.

Als Herr K. und sein Begleiter schließlich bei dem jungen Kellner zahlten, brach es ungeduldig aus ihm heraus: „Bevor sie gehen, muss ich ihnen noch eine Frage stellen. Glauben Sie, dass es in diesem Land Meinungsfreiheit gibt?“

Jetzt sah sich Herr K. zu einer Stellungnahme gezwungen und antwortete: „Ja, natürlich gibt es Meinungsfreiheit in diesem Land, niemand wird wegen einer Meinung von Staats wegen verfolgt oder kommt dafür ins Gefängnis. Allerdings“, so fügte er hinzu, „gibt es den Druck der öffentlichen Meinung und dem kann man sich nicht entziehen. Dieser Druck ist manchmal schwer auszuhalten.“

Als Herr K. seine Rede beendet hatte, leuchteten die Augen des Kellners und er konnte seine Begeisterung kaum unterdrücken.

„Wissen Sie“, sprudelte es aus ihm heraus, „wie sie diskutieren, ist außergewöhnlich, vor allem im Gegensatz zu dem, was ich sonst hier zu hören bekomme. Sie sind wirklich Premium Gäste.“

Verblüfft über das unerwartete Kompliment antwortete Herr K. nun seinerseits unbeholfen: „Und sie sind ein Premium Kellner!“

Beschämt verließen Herr K. und sein Begleiter das Lokal.

auch interessant: Herr K. und die Politik – Peter K.