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Herr K. und Herr Döpfner

Seit gestern herrscht große Aufregung über bekannt gewordene, private Bemerkungen des Zeitungsverlegers Matthias Döpfner. Die Empörungswelle schwappt hoch. Aus seinen publizierten Bemerkungen wird auf ein verächtliches Menschenbild geschlossen und überhaupt, so der Tenor, müsse Herr Döpfner ein ganz fieser Kerl sein.

Herr K. schüttelt den Kopf. „Jeder hat im privaten Raum schon Bemerkungen gemacht, die nicht nur politisch inkorrekt, sondern für sich genommen, zutiefst verachtenswert sind. Allein deshalb auf einen schlechten Charakter zu schließen, ist vorschnell.“

Weil er das Befremden der Freunde über seine Äußerung spürt, erklärt er: „Man denke nur an die unzähligen Beschimpfungen im Straßenverkehr, von denen die meisten, Gott sei Dank, ungehört hinter Windschutzscheiben verhallen.“

„Wie können Sie diesen Mann in Schutz nehmen?“, fragt jemand verächtlich.

Unbeirrt fährt Herr K. fort: „Mein Mitleid mit Herrn Döpfner hält sich in Grenzen. Im Gegenteil, ich kann mir eine klammheimliche Freude nicht verkneifen, denn nun ereilt ihn endlich dasselbe Schicksal, das seine Zeitung anderen täglich zufügt.“

Nach einer Pause ergänzt er bedauernd:

„Ich habe aber Zweifel, dass diese Erfahrung ihm eine Lehre sein wird.“

Nachtrag: Hier findet sich die Reaktion von Herrn Döpfner

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Herr K. und der Splitter

Die mehr oder weniger demonstrativ zur Schau gestellte moralische Überlegenheit der Menschen geht mir gehörig auf den Wecker,“ schimpfte ein Freund von Herrn K.. „Die einen fühlen sich überlegen, weil sie mit dem Fahrrad fahren, die anderen, weil sie sich auf Autobahnen festkleben und die dritten, weil sie kein Fleisch essen. Und am Schlimmsten sind die, die dann selbstgerecht mit dem Finger auf dich zeigen, wenn du zu MacDonald gehst. Jeder sieht den Splitter im Auge des anderen, aber alle schaffen es, locker den Balken im eigenen Auge zu übersehen. Krass.“

„Ja“, antwortete Herr K. „das geht mir genau so.“

„Aber“, fügte Herr K. nachdenklich hinzu, „wir sehen auch nur den Splitter im Auge des anderen.“

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Herr K. und der Kellner

Herr K. machte zusammen mit einem Begleiter ein paar Tage Ferien in der brandenburgischen Provinz. Nach einer anstrengenden Wanderung suchten sie ein Restaurant, was sich schwieriger als erwartet gestaltete, denn es gab nur wenige davon in der kleinen Stadt. Schließlich fanden sie eines mit bürgerlicher Küche und angenehmen Ambiente. Es war voll und so gab es nur an der Theke zwei freie Plätze. Sie bestellten einen mittelmäßigen Rotwein, dazu ein Kotelett mit Pilzrahmsauce und begannen, wie es bei Herrn K. und seinem Begleiter üblich zu diskutieren. Sie sprachen über Fontane, über die Übertreibungen der Medien, über Relevanz und Irrelevanz von Kausalzusammenhängen und streiften sogar die Kant’schen Urteile a priori.

Ein junger Kellner hinter der Theke folgte offensichtlich neugierig ihrer Diskussion und versuchte etwas unbeholfen und ein bisschen aufdringlich, sich am Gespräch zu beteiligen.

Herr K. und sein Begleiter befürchteten, dass der junge Mann sie mit dummen Stammtischparolen zutexten wolle und wichen den Anknüpfungsversuchen so gut es ging aus.

Als Herr K. und sein Begleiter schließlich bei dem jungen Kellner zahlten, brach es ungeduldig aus ihm heraus: „Bevor sie gehen, muss ich ihnen noch eine Frage stellen. Glauben Sie, dass es in diesem Land Meinungsfreiheit gibt?“

Jetzt sah sich Herr K. zu einer Stellungnahme gezwungen und antwortete: „Ja, natürlich gibt es Meinungsfreiheit in diesem Land, niemand wird wegen einer Meinung von Staats wegen verfolgt oder kommt dafür ins Gefängnis. Allerdings“, so fügte er hinzu, „gibt es den Druck der öffentlichen Meinung und dem kann man sich nicht entziehen. Dieser Druck ist manchmal schwer auszuhalten.“

Als Herr K. seine Rede beendet hatte, leuchteten die Augen des Kellners und er konnte seine Begeisterung kaum unterdrücken.

„Wissen Sie“, sprudelte es aus ihm heraus, „wie sie diskutieren, ist außergewöhnlich, vor allem im Gegensatz zu dem, was ich sonst hier zu hören bekomme. Sie sind wirklich Premium Gäste.“

Verblüfft über das unerwartete Kompliment antwortete Herr K. nun seinerseits unbeholfen: „Und sie sind ein Premium Kellner!“

Beschämt verließen Herr K. und sein Begleiter das Lokal.

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Herr K. und die Politik

Herr K., der für seine Weisheit bekannt war, wurde von seinen Anhängern bedrängt, er möge doch in die Politik gehen.

Er aber antwortete ihnen: „Dafür bin ich ungeeignet. Meine Weisheit ist die Weisheit der Worte, Politik aber ist die Weisheit der Tat. Es ist leicht, weise zu reden, aber es ist unendlich schwer, weise zu handeln.“

Als er die Enttäuschung in den Augen seiner Anhänger sah, versuchte er sie zu trösten und sprach: „Ihr träumt von einem Heiligen, aber bekommen werdet ihr nur einen Menschen.“

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Herr K. und der Krieg

Bei einer Diskussion über Krieg und Frieden ging es hoch her. Besonders ein Politiker stach hervor, weil er bislang als radikaler Pazifist und Antimilitarist aufgefallen war. Immer hatte er sich mit großer moralischer Empörung gegen Waffenlieferungen in Konfliktregionen ausgesprochen. Mit stets zweifelsfreier Überzeugung stellte er fest: ‚Waffen lösen keine Konflikte, im Gegenteil, sie verschlimmern sie nur‘.

Zweifelsfreie Überzeugungen geraten aber ins Wanken, wenn sich die Umstände nicht an die Überzeugungen halten. So auch dieses Mal.

Als in der Region ein mächtiger Herrscher ein schutzloses Nachbarland überfiel, um es seinem Reich einzuverleiben, brach ein großer Krieg aus. Die Warnungen anderer vor dem mächtigen Herrscher hatte der überzeugte Pazifist in den Wind geschlagen. Als aber diese Warnungen bittere Realität wurden, brauchte er nur Stunden, bis er anklagend mit dem Finger auf diejenigen zeigte, die ihm zu zögerlich bei der Unterstützung des angegriffenen Nachbarlandes erschienen.

Freunde fragten Herrn K. nach der Diskussion, wie er sich dieses Verhalten erkläre.

Herr K. antwortete: „Wenn Idealisten mit der Realität kolidieren, sind sie tief enttäuscht und dann werden sie radikal.“

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig, aber irrelevant.

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Herr K. und der Kampf gegen das Alter

Neulich traf Herr K. eine gleichaltrige Nachbarin. Wie es ab einem gewissen Alter üblich ist, sprachen sie über Krankheiten, Zipperlein und darüber, was alles wehtut.

Dabei berichtete Herr K., dass er seit längerem Pilates mache und seitdem keine Rückenschmerzen mehr habe. Die Nachbarin schaute Herrn K. an und meinte: „Ich finde das toll, dass sie so gegen das Älterwerden kämpfen.“

Herr K. stutzte einen Augenblick und meinte: „Oh, da haben Sie mich missverstanden, ich kämpfe nicht gegen das Alter, kämpfen würde ich nur, wenn ich eine Chance auf den Sieg hätte.“

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Herr K. und was es bedeutet, eine Partnerschaft zu führen

Bei einem Spaziergang erzählte ein Freund dem Herrn K., dass er nun das dritte Mal geschieden sei und er frage sich, woran das liege. Anfangs wäre er jedes Mal verliebt und glücklich gewesen, aber nach einiger Zeit hätten ihn immer irgendwelche Dinge gestört.

Bei der Ersten war es das laute Schlucken beim Trinken, das ihn wahnsinnig machte und zudem die ständige Befürchtung seiner Frau, er würde fremd gehen.
Bei der Nächsten störte ihn, dass sie immer überprüfen musste, ob er auch tatsächlich die Tür abgeschlossen hatte, wenn sie das Haus verließen und noch schlimmer, dass sie immer alles mit ihm zusammen machen wollte. Nie habe er Zeit für sich allein gehabt.
Bei der Dritten habe deren ständige Rechthaberei ihn so weit getrieben, dass er in große Wut geraten sei. Ob Herr K. wisse, was das Geheimnis einer guten Beziehung sei?

Herr K. lächelte und meinte: „Eine gute Partnerschaft führen, heißt einander ertragen zu können.“

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Herr K. und seine Gewissensnöte

„Vor 40 Jahren haben Sie den Kriegsdienst verweigert, mit der Begründung, dass es sie in zu große Gewissensqualen stürzen würde, wenn sie einen Menschen töten müssten. Daran, so sagten Sie, würden Sie zerbrechen.“
„Ja“, antwortete Herr K.
„Und heute?“
„Heute zerbreche ich an der Erkenntnis, dass das Schlimmste manchmal nur mit Gewalt und Krieg verhindert werden kann.“

„Würde es Sie in einem solchen Fall immer noch in Gewissensqualen stürzen, einen Menschen zu töten?“
„Ja“, sagte Herr K., „aber ich hätte die Hoffnung, damit das Schlimmste zu verhindern.“

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Herr K. und ein Wunder

Gestern war Herr K. zu einem Abendessen eingeladen. Mit am Tisch saß Deborah, eine amerikanische Freundin des Gastgebers und die erzählte eine Geschichte, die sich wie eine antike Tragödie mit Happy End anhört.

Deborah wuchs in einer typischen, amerikanischen Vorstadtfamilie in der Nähe von New York auf. Allerdings ganz so typisch war die Familie doch nicht, denn die Eltern hatten ihre drei Kinder, zwei Söhne und eben Deborah adoptiert.

Jason, der mittlere Sohn, war stets ein introvertiertes Kind gewesen, schweigsam, immer mit sich beschäftigt und schon früh an Musik und Poesie interessiert. Dieses Interesse wurde bei dem älter werdenden Jungen immer stärker. Mit 14 Jahren kreisten seine Gedanken ausschließlich um Musik und Poesie. Es war klar, Jason wollte Musiker werden.

Der Vater, ein anerkannter Arzt, war ein liebevoller und verantwortungsbewusster Vater und machte sich, wie alle Väter, Sorgen um die Zukunft seines Sohnes. Brotlose Musik war nicht, das was er sich für seinen Sohn erträumte und er versuchte Jason davon abzubringen und drängte ihn einen anderen Weg einzuschlagen. Jason wehrte sich gegen dieses Ansinnen, aber scheinbar um den Preis, dass er immer stärkere, psychische Probleme zeigte. Er litt unter schweren Depressionen, Selbstmordgedanken und unter schizophrenen Schüben.

Wie bei adoptierten Kinder üblich, kam auch bei Jason die Phase, als er mehr über seine leiblichen Eltern erfahren wollte, aber es gab keine Information, denn, soviel erfuhr er, man hatte ihn im Mai 1969 als Neugeborenen in einer Babyklappe eines Krankenhauses in New Jersey gefunden.

Jason wurde Musiker, aber er blieb eine fragile Persönlichkeit.

Viele Jahre später, Jason war bereits über vierzig, machten seine Adoptiveltern Ferien in Vermont und lasen in der New York Times den Leserbrief einer Frau, die zu einem Artikel über Babyklappen Stellung nahm. Die Autoren des Artikel hatten die These aufgestellt, dass Mütter, die Kinder an einer Babyklappe abgeben, großes emotionales Leid verspüren müssten. Diese Frau aber schrieb, dass sie, anders als behauptet, keine großes Leid gehabt habe, als sie ihren Sohn im Mai 1969 in einer Babyklappe eines Krankenhauses in New Jersey abgelegt habe. Im Gegenteil sie war froh über diese Möglichkeit, sie habe gute Gründe für diesen Schritt gehabt und sie glaube nach wie vor, dass es das Beste für das Kind gewesen sei.

Die Eltern von Jason waren elektrisiert, denn es war nahezu unmöglich, dass es keinen Zusammenhang zwischen Jason und dieser Leserbriefschreiberin gab. Die Eltern informierten Jason und es gelang Kontakt mit dieser Frau aufzunehmen, die sich tatsächlich als seine Mutter herausstellte. Natürlich wollte Jason seine Mutter kennenlernen, aber um den fragilen Jason nicht mit dieser schwierigen, hochemotionalen Situation alleine zu lassen, organisierten die Eltern ein Treffen mit ihnen selbst, der leiblichen Mutter und Jason.

Herr K. erfuhr nicht genau, wie dieses Treffen ablief, aber, so berichtete Deborah, als Jason leibliche Mutter erzählte, dass Jasons Erzeuger aus einer Musikerfamilie stammte, stammelte Jasons Vater entsetzt: „Und ich Idiot habe mein Leben lang versucht, Jason davon abzubringen, Musiker zu werden.“

Für Jason war das der Moment an dem nach langer Dunkelheit, endlich die Sonne durch die Wolken brach und ihm Licht und Wärme brachte.

Deborah berichtet, dass Jasons schizophrenen Schübe, Depressionen und Selbstmordgedanken von Stund an verschwunden waren.

Herrn K. kommentierte dies mit der Bemerkung: „Was einmal mehr zeigt: ‚Es gibt kein richtiges Leben im falschen‘.“[i]

[i] Theodor W. Adorno: Minima Moralia

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Herr K., die Menschen und die Natur

Herr K. geriet in eine Diskussion junger Leute. Mit Freude hörte er ihrem Enthusiasmus und ihren Überzeugungen zu. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand die Zerstörung der Natur durch den Menschen und alle waren sich einig, dass es daran läge, dass der Mensch nicht der Natur entsprechend lebe, ja, es wurde behauptet, dass der Mensch eine Fehlentwicklung der Natur sei.

Da warf Herr K. ein: „Die Natur ist stärker als der Mensch. Wenn der Mensch tatsächlich eine Fehlentwicklung der Natur ist, dann wird die Natur das korrigieren, es sei denn, der Mensch ist nicht Teil der Natur.“