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Bemerkungen über den Krieg (9)

Was wir gerade in der Ukraine erleben, ist keine unbekannte Situation. Der Krieg ist statisch geworden. Die Front bewegt sich kaum. Um jeden Quadrtkilometer Boden wird heftig gerungen. Die Russen haben sich verschanzt und die Ukraine rennt verzweifelt dagegen an. Was Menschen an der Front erleben, kann man in den Büchern über den ersten Weltkrieg nachlesen. Jünger hat es in „In Stahlgewittern“ oder Remarque in „Im Westen nichts Neues“ beschrieben.

Ein Grauen!

Je länger dieses Grauen anhält, desto schwerer wird es, nicht nur militärisch, sondern besonders auch psychologisch einen Ausweg zu finden. Es ist ein bekannter psychologischr Mechanismus: Wenn man für eine Sache schon sehr viel geopfert und erlitten hat, dann wächst die Fixierung auf die Sache. So ist es in qualvollen (gewalttätigen) Beziehungen, wo mann/frau nicht gehen kann oder eben im Krieg, wo es immer schwerer wird, einen Ausweg zu finden.

In diesem Krieg gibt es nur drei Möglichkeiten:

Rußland gewinnt den Krieg
Die Ukraine gewinnt den Krieg
Einer von beiden wird vor Erschöpfung aufgeben.

Momentan sieht es so aus, als würde keiner von beiden den Krieg gewinnen können. Die (westlichen) „Wunderwaffen“ bewirken doch nicht was der Name verspricht und auch wenn der Ruf nach noch mehr Waffen gerade wieder lauter wird, muss man annehmen, dass die neuen Waffen, die erhoffte Wende für die Ukraine nicht bringen werden.

Also läuft derzeit alles auf einen Abnutzungskrieg heraus. Wladimir der Schreckliche ist davon überzeugt, dass er dabei den längeren Atem hat und dieses zynische Kalkül ist nicht unwahrscheinlich, denn die Alternative wäre, dass das russische Volk oder das Militär den Aufstand wagt. Zudem ist damit zu rechnen, dass der Westen früher oder später tatsächlich kriegsmüde werden wird.

Auf der Gegenseite hat Herr Selensky bei seinem Volk Hoffnungen geweckt, die sich allem Anschein nach nicht erfüllen lassen. Er kann aber von diesem hohen Ross der Befreiung aller ukrainischen Gebiete nicht mehr herunter, ohne das Gesicht zu verlieren und erhebliche Unruhe im Volk auszulösen.

Der Konflikt steckt also in einer unlösbaren Falle und hierin ähnelt der Situation während des ersten Weltkrieges. Das bedeutet: Das Grauen geht weiter und jede denkbare Alternative wird den Konflikt nicht lösen.

Abgesehen von der unwahrscheinlichen Möglichkeit, dass Rußland zusammenbricht und sich vollständig aus den besetzten Gebieten zurückzieht und der ebenso unwahrscheinlichen Möglichkeit, dass die Ukraine alle besetzten Gebiete zurückerobert, wird es also früher oder später darauf hinauslaufen, dass die Ukraine auf Gebiete verzichten muss. Dies wird die inneren Verhältnisse in der Ukraine destabilisieren, Russland aufwerten und einen brandgefährlichen Unruheherd am Rande Europas schaffen.

Schaurige Aussichten.

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Herr K. und die Verantwortung

Bei einem Tischgespräch über Fragen des Umweltschutzes ging es hoch her. Alle waren sich einig, dass der Mensch die Natur zerstört, das die Politik empörend wenig tue und deshalb jeder etwas gegen die Zerstörung der Umwelt unternehmen muss.

Die Eine sagte: „Ich fahre nur noch Fahrrad.“
Der Andere meinte: „Ich ernähre mich vegan.“
Die Dritte: „Ich kaufe nur im Bioladen.“
Der Vierte: „Ich vermeide Müll, wo ich nur kann.“
Und wieder eine andere: „Ich bin aktives Mitglied bei Greenpeace.“

Jeder hatte etwas zu erzählen und man gab sich Tipps, was man wie und wo noch besser machen könne.

Herr K. verfolgte die Diskussion aufmerksam, aber beteiligte sich nicht. Als sich alle verabschiedeten, meinte ein junger Mann, dass er Herrn K. ein Stück begleiten wolle. Auf der Straße sagte er:

„Es ist doch großartig, wie engagiert die Leute sind und jeder versucht seinen Beitrag zu leisten, gerade wenn die Politik so versagt. Aber Herr K., sie haben den ganzen Abend kaum etwas gesagt, was meinen Sie denn zu der Diskussion?“

Herr K. zögerte einen Augenblick und antwortete: „Das war keine Diskussion, mir kam es vor wie in der Kirche.“

„Wieso dass denn?“, fragte der junge Mann, offensichtlich irritiert.

„Nun, jeder hat mit großem moralischem Pathos Zeugnis abgelegt, von all seinen guten Taten. Jeder wollte den anderen zeigen, wie sehr er bemüht ist, ein sündenfreies Leben zu führen. Alle bestätigten sich gegenseitig, wie vorbildlich sie doch sind und wie sie alles in ihrer Macht stehende tun, um die aufziehende Katastrophe zu verhindern. Aber natürlich sündigen sie trotzdem, denn die Flugreise muss sein, es ist schließlich die letzte Reise mit den Kindern und das neue Auto wird auch gebraucht, weil man sonst nicht zum Reitunterricht kommt. Als Kompensation spendet man großzügig für die Rettung des Regenwalds, was aber nichts anderes ist als ein moderner Ablasshandel!“

Der junge Mann war überrascht, setzte zu einem „Aber…“, an, doch Herr K. kam ihm zuvor.

„In diesem Sinne gibt es auch keinen Unterschied zwischen einer Umweltorganisation und einem Mönchsorden. Beides sind straff geführte, einflussreiche Organisationen mit Absolutheitsanspruch. Sie begannen als Bettelorden, wurden unverschämt reich und haben sich über die ganze Welt ausgebreitet. Bescheidenheit und Demut fordern die Mönche, Verzicht und Respekt die Umweltaktivisten. Die einen wissen genau, wie man Gott, die anderen, wie man der Natur dient und beide warnen vor dem Weltuntergang, nur dass er dort ‚Jüngstes Gericht‘ und hier ‚Klimakatastrophe‘ genannt wird. Beides sind hilflose Versuche durch moralische Appelle und im Namen einer großen Sache, den Menschen zum Besseren zu bekehren.“

„Aber“, widersprach K.s junger Begleiter, „wir müssen doch etwas tun.“

„Wenn die Prognosen stimmen, sind all die gut gemeinten Aktivitäten bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, vor allem, wenn die gleichen Leute an anderer, wichtigerer Stelle, auf nichts zu verzichten bereit sind und dankbar der Politik die Verantwortung zuschieben.“

Betreten schwieg der junge Mann, bevor er antwortete: „Dann muss die Politik radikale Maßnahmen einleiten.“

„Vielleicht. Es bleibt dann allerdings zu hoffen, dass das Volk der Politik keinen Strich durch die Rechnung macht“, erwiderte Herr K.

Auch interessant: https://peterk.berlin/2023/05/05/herr-k-und-die-klimaaktivistin/

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Herr K. und die Frage: Wann beginnt Rassismus?

Eines Tages besuchte Herr K. einen alten Freund, der einer Weile schon in einem Pflegeheim lebte. Sie kannten sich viele Jahre und waren so vertraut, dass sie einander auch unangenehme Wahrheiten sagen konnten. Während des Besuchs kam ein freundlicher, schwarzer Pfleger ins Zimmer, brachte die Tabletten für den nächsten Tag, plauderte ein wenig mit ihnen und ging dann weiter, wobei er vergaß eine kleine Tasche mitzunehmen.

Einige Zeit später kam die Hausdame, um den Speiseplan für die nächste Woche zu bringen. Auch die plauderte kurz mit den beiden und als sie das Zimmer verlassen wollte, sagte der Freund von Herrn K.: „Ach, sagen Sie dem Bimbo doch, dass er hier seine Tasche vergessen hat.“

Fröhlich antwortete sie: „Mache ich“.

Herr K. war fassungslos.

Der Freund wollte weiterreden, so als sei nichts geschehen, aber Herr K. unterbrach ihn und stotterte: „Aber Franz, du kannst doch den Schwarzen nicht ‚Bimbo‘ nennen.“

Jetzt war es an Franz irritiert zu schauen, aber schnell huschte ein Lächeln über sein Gesicht und er erwiderte: „Aber der heißt so!“

Nach kurzer Verblüffung verteidigte Herr K. seine Aussage: „Ja aber, Du weißt auch, weshalb er sich so nennt, die alten Leute haben ihn vermutlich immer als ‚Bimbo‘ angeredet und er hat sich dann den Namen zu eigen gemacht. Das ist doch furchtbar, das ist rassistisch.“

Franz schwieg eine Weile, bevor er anmerkte: „Das kann man so sehen, aber war das Wort ‚schwul‘ nicht auch ein furchtbares Schimpfwort, bevor die Schwulenbewegung es durch Vereinnahmung davon befreite?“

Herr K. schwieg.

„Und“, schob Franz hinterher als Herr K. zu einer Antwort ansetzte, „ist es nicht eine Art Postkolonialismus, wenn wir den Schwarzen vorschreiben, wie sie sich zu nennen haben und wie nicht?“

Auch interessant: https://peterk.berlin/2023/04/22/herr-k-und-die-buecherfrage/

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Der Untergang Russlands als Self-fulfilling Prophecy

29.5.2023

Wladimir der Schreckliche, wie ich Herrn Putin in Erinnerung an einen von ihm bewunderten Vorgänger zu nennen pflege, ist ein Diktator, dem es, wie allen Diktatoren, in erster Linie um den Erhalt seiner Macht geht.

Um sich an der Macht zu halten, muss er sich aus der Werkzeugkiste der Diktatoren bedienen, um das Volk ruhig zu stellen und mögliche Konkurrenten (und davon gibt es immer viele) auf den Platz zu verweisen. Diese Regeln möchte ich kurz vorstellen, um am Schluss eine erschreckende Schlussfolgerung zu formulieren, von der ich hoffe, dass sie nie eintritt.

Das einfachste Werkzeug der Diktatoren ist:

Repression

Zu den Repressionen zählen

  • Einschränkung der Pressefreiheit, die man Volksverdummung im großen Stil nennen kann.
  • Einschüchterung von Oppositionellen durch Ämterentzug, Arbeitsverbote, erfundenen Anklagen
  • Verhaftung und Einsperren der Oppositionellen in Arbeitslager, wo sie möglichst zu Tode geschunden werden.
  • Ermordung unliebsamer Widersacher, auch im Exil, damit alle wissen, dass der lange Arm der Macht nirgendwo seine Grenzen findet.

Das und mehr (Bespitzelung, Überwachung, etc.) kann man als  Standardwerkzeuge des diktatorischen Machterhalts bezeichnen. Aber nur mit Repressionen und Angst kann sich kein Herrscher auf Dauer an der Macht halten. Dazu braucht es mehr, womit wir beim zweiten Punkt wären:

Panem et circenses

Man muss dem Volk Brot und Spiele geben. Das persönliche Wohlergehen der Bevölkerung muss sichergestellt sein. In den städtischen Zentren ist das natürlich weitaus wichtiger als auf dem Land, denn Bauernrevolten hat es nur selten gegeben. Brot und Handys und schöne Autos lieferte Wladimir der Schreckliche mit freundlicher Unterstützung des Westens dem russischen Volk. Die Olympischen Winterspiele 2014 und die Fußballweltmeisterschaft 2018 waren Teil einer Unterhaltungsstrategie, die durch professionelles, staatliches Doping unterstützt, der Bevölkerung den Stolz auf ihr Land gegeben haben.

Ein anderer Teil der Spiele war die Personality-Show von Wladimir dem Schrecklichen. Einmal jährlich veranstaltete er eine perfekt choreografierte, mehrstündige Liveveranstaltung, bei der er sich im Fernsehen den Fragen der Bürger seines Landes stellte und Probleme im Handumdrehen löste. Damit erhielt er das Image des Kümmerers, der – wenn er nur von den Problemen wüsste – jedes Problem und jede Ungerechtigkeit lösen kann.

Mit diesen beiden Regeln kann ein Tyrann die politische Opposition und das Volk auf Linie bringen. Was noch fehlt, ist die eigene Gefolgschaft einzuhegen, denn die meisten Tyrannenmörder wachsen in der Gefolgschaft des Tyrannen heran. Dazu braucht es:

Divide et impera

Der schwierigste Akt eines Diktator ist es, die eigene Gefolgschaft unter Kontrolle zu halten und dieser Drahtseilakt lautet: Teile und Herrsche.

Dabei hat das Wort ‚teile‘ in diesem Zusammenhang eine doppelte Bedeutung. Zum einen ist es natürlich wichtig, den Gewinn zu teilen. Der Diktator muss das Geld mit offenen Händen an diejenigen verteilen, die sich ihm gegenüber loyal verhalten. Ohne das geht es nicht und trifft auch auf all diejenigen zu, die sich später von dem Diktator abwenden und voller moralische Abscheu ins Exil gehen, wobei sie sich vorher natürlich ein auskömmliches Vermögen beiseite geschafft haben und im Exil angekommen, als Freunde der Freiheit gefeiert werden.

Aber die finanzielle ‚Großzügigkeit‘ des Herrschers ist nur die eine Seite des ‚Teilens‘. Der weitaus wichtigere Aspekt ist es, die Macht zu fragmentieren. Damit ist keineswegs Gewaltenteilung gemeint, sondern eine Zersplitterung der Macht in undurchschaubare Teile.

Der Weg dazu ist relativ einfach: Man schafft Doppel- und Dreifachstrukturen mit sich überschneidenden Verantwortungsbereichen und unklaren Weisungsbefugnissen und verteilt die eigene Gunst einmal hierhin und einmal dorthin. Solche Strukturen führen automatisch zu internen Machtkämpfen und so sind die Vasallen miteinander beschäftigt statt dem Tyrannen an den Kragen zu gehen. Die Vasallen halten sich mit freundlicher Unterstützung des Tyrannen gegenseitig in Schach.

Dieses Spiel beherrscht Wladimir der Schreckliche perfekt. Niemand außer ihm soll populär werden können. Immer bleibt er für Erfolge verantwortlich, weil die Vasallen sich Erfolge gegenseitig nicht gönnen und bei Misserfolgen stets mit dem Finger auf die anderen zeigen, statt auf den Herrscher aller Reußen. So werden Konkurrenten kleingehalten. Das ist das Spiel der Diktatoren.

Die Gefahr des Untergangs

Aber diese Zersplitterung der Macht hat Wladimir der Schreckliche auf die Spitze getrieben und das könnte sich zu einer dramatischen Gefahr für das russische Volk und den Rest der Welt entwickeln.

Bereits 1994 entstand in Tschetschenien die irreguläre Armee der Familie Kadyrov, die 1999 mit ungeheurer Brutalität Krieg im eigenen Land führte. 2006 wurde diese Privatarmee formal der Nationalgarde unterstellt, agiert aber unabhängig von ihr.

Im Jahr 2014 hat Wladimir der Schreckliche seinem ‚Koch‘ Prigoschin erlaubt, eine Söldnerarmee aufzustellen. Sie ist als Wagner Gruppe bekannt und gefürchtet. Gleichzeitig entstanden im Donbass Milizen, die sich als Freiheitskämpfer bezeichnen.

Der Hintergedanke von Wladimir dem Schrecklichen war es, die verschiedenen Player gegeneinander ausspielen zu können, damit keiner mächtig genug wird, um ihn zu stürzen. Zudem würde so, im Falle militärischer Erfolge, das Licht des Sieges ausschließlich auf ihn fallen.

Aber: „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung“ schrieb Helmuth von Moltke und so geschah es auch bei der Invasion der Ukraine. Es gab keinen ruhmreichen Einzug in Kiew und Wladimir der Schreckliche hat alle Hände voll zu tun, seine Macht zu sichern. Egal ob als Zeichen der Schwäche oder aus taktischen Erwägungen entstehen immer neue Milizen. Nach neuesten Informationen hat der russische Statthalter der Krim, Sergej Aksjonow, nun seine eigne Söldnertruppe gegründet.

Nun geschieht das, was immer geschieht: „Die Geister die ich rief, die werd ich nicht mehr los.“ Es entstehen immer mehr Warlords, auch ohne Zutun von oben. So sorgte vor Kurzem eine vermutlich rechtsradikale, russische Befreiungsarmee, die von der Ukraine aus operiert, in Russland für Unruhe.

Warlords mit Privatarmeen sind eine hochexplosive Mischung, die sich auf Dauer nicht kontrollieren lassen. Sie warten auf den Tag, an dem die derzeitige russische Konstruktion zusammenbricht, um sich dann möglichst große Teile des zerbrechenden Landes unter den Nagel zu reißen. Ironischerweise könnten damit die Prophezeiungen der aktuellen Herrscherclique in Erfüllung gehen, die unterstellen, dass der Westen Russland zerstören wolle, dabei aber Ross und Reiter verwechseln.

Sollte das so eintreten, dann befürchte ich das Schlimmste. Ein untergehendes, mit Atomwaffen vollgestopftes Russland, dass von Dutzenden durchgeknallter Warlords zerfleischt wird, ist sicher die gefährlichere Alternative als ein Wladimir Putin.

Insofern hoffe ich, dass ich mich mit meiner Analyse irre und die Max Planck zugeschriebene Bemerkung, dass ‚Prognosen schwierig sind, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen‘ auch dieses Mal zutrifft. Allerdings wünsche ich mir, dass der Westen sich im Geheimen auf ein solches Szenario vorbereitet.

24.6.2023

Heute ist das eingetreten, was ich befürchtet habe. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/prigoschin-rostow-machtkampf-100.html

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Herr K. und die Klimaaktivistin

Eines Tages traf Herr K. eine Klimaaktivistin.

„Die Welt ist in Gefahr“, klagte sie verzweifelt. „Diese Gesellschaft zerstört mit ihrer Ignoranz und Impertinenz die Zukunft unserer Generation. Wir jungen Leute kämpfen wirklich mit allen Mitteln, um diese Gesellschaft aufzuwecken, aber die Menschen kapieren nichts und die Verantwortlichen vertrösten, verzögern und sind zu schwach, um die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Es ändert sich gar nichts. Inzwischen wünsche ich mir, dass eine Diktatorin käme, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Demokratien sind nicht in der Lage die Katastrophe abzuwenden.“

Herr K. wollte der Verzweifelten etwas Hoffnung machen, aber es fiel ihm nur ein kleiner Trost ein.

„Nun, ich gebe zu, Demokratien sind tatsächlich träge“, antwortete er, „aber der Unterscheid zwischen Demokratien und Diktaturen ist immerhin der, dass Demokratien ihre Meinung ändern können.“

Wer vertieft zum Thema lesen möchte: Warum Demokratie autoritärer Herrschaft überlegen ist

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Bemerkungen zum Krieg (7)

Heute möchte ich es kurz halten, will aber einen Gedanken den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten. Er stammt wohlgemerkt nicht von mir, sondern wurde Sonntagabend beim sechsten Berliner Tafelgespräch von einem Teilnehmer eingebracht und diskutiert.

Die These lautet:

Der Ukrainekrieg ist der zweite und letzte Akt des endgültigen Zusammenbruchs der Sowjetunion.

So wie Deutschland nach der demütigenden Niederlage des ersten Weltkriegs von einem ‚Zurück‘ zu vermeintlicher Größe phantasierte und den zweiten Weltkrieg brauchte, um zu begreifen, dass das nicht möglich ist, so geht es Russland heute.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde (wird) von der herrschenden Klasse in Russland als Schmach und Schande wahrgenommen und mit dem Ukrainekrieg sollte der Zustand alter imperialer Größe wiederhergestellt werden.

Da dieser Krieg, unabhängig vom Ausgang, für Russland m.E. bereits verloren ist, (siehe: Bemerkungen zum Krieg (1) – Peter K.), könnte sich das Land anschließend neu – hoffentlich besser – erfinden. Das ist jedenfalls meine optimistische Interpretation.

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Herr K. und die Bücherfrage

Herr K. war bei einer Familie mit zwei Jugendlichen zum Abendessen eingeladen. Es ist eine Familie in der viel diskutiert wird und so entspann sich nach kurzer Zeit ein heftige Diskussion über den richtigen Umgang mit Sprache. Die Jugendlichen kritisierten aufs Schärfste, dass alte Bücher mit rassistischen, fremden- oder frauenfeindlichen Ausdrücken heute noch erscheinen dürften. Sie forderten die Entfernung oder mindestens die Überarbeitung solcher Bücher, um Rassismus, Fremden- und Frauenfeindlichkeit keinen Platz zu geben. Der Hinweis des Vaters, dass dies verdammt viel Ähnlichkeit mit der Bücherverbrennung der Nazis hätte, wurde mit großer moralischer Empörung zurückgewiesen, denn die jungen Leute wären schließlich gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und die Nazis hätten genau das Gegenteil gewollt. Als darauf der Vater äußerte, dass die Nazis wahrscheinlich auch dachten, das Richtige zu vertreten, eskalierte die Situation und die beiden Jugendlichen verließen empört den Tisch.

Die Mutter, die versucht hatte, die Situation zu beruhigen, sagte zu ihrem Mann: „Du bist zu weit gegangen.“

Noch erregt von der Diskussion erwiderte der Vater: „Vielleicht, aber ich habe mühsam lernen müssen, dass die Welt nicht durch Worte besser wird, sondern nur durch Taten. Das waren bittere Erfahrungen, aber an ihnen bin ich gereift. Unseren oberschlauen Kindern fehlt es an Reife und Menschenkenntnis.“

Daraufhin wendete er sich an Herrn K., der die Diskussion schweigend verfolgt hatte und fragte: „Oder, was meinen sie Herr K.?“

„Nun“, sagte Herr K. lächelnd, „junge Menschen halten sich für oberschlau und alte meist für weise, vermutlich irren sie sich beide.“

Auch interessant: Herr K. und was es bedeutet, eine Partnerschaft zu führen – Peter K.

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Herr K. und Herr Döpfner

Seit gestern herrscht große Aufregung über bekannt gewordene, private Bemerkungen des Zeitungsverlegers Matthias Döpfner. Die Empörungswelle schwappt hoch. Aus seinen publizierten Bemerkungen wird auf ein verächtliches Menschenbild geschlossen und überhaupt, so der Tenor, müsse Herr Döpfner ein ganz fieser Kerl sein.

Herr K. schüttelt den Kopf. „Jeder hat im privaten Raum schon Bemerkungen gemacht, die nicht nur politisch inkorrekt, sondern für sich genommen, zutiefst verachtenswert sind. Allein deshalb auf einen schlechten Charakter zu schließen, ist vorschnell.“

Weil er das Befremden der Freunde über seine Äußerung spürt, erklärt er: „Man denke nur an die unzähligen Beschimpfungen im Straßenverkehr, von denen die meisten, Gott sei Dank, ungehört hinter Windschutzscheiben verhallen.“

„Wie können Sie diesen Mann in Schutz nehmen?“, fragt jemand verächtlich.

Unbeirrt fährt Herr K. fort: „Mein Mitleid mit Herrn Döpfner hält sich in Grenzen. Im Gegenteil, ich kann mir eine klammheimliche Freude nicht verkneifen, denn nun ereilt ihn endlich dasselbe Schicksal, das seine Zeitung anderen täglich zufügt.“

Nach einer Pause ergänzt er bedauernd:

„Ich habe aber Zweifel, dass diese Erfahrung ihm eine Lehre sein wird.“

Nachtrag: Hier findet sich die Reaktion von Herrn Döpfner

auch interessant: Herr K. und der Splitter – Peter K.

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Herr K. und der Splitter

Die mehr oder weniger demonstrativ zur Schau gestellte moralische Überlegenheit der Menschen geht mir gehörig auf den Wecker,“ schimpfte ein Freund von Herrn K.. „Die einen fühlen sich überlegen, weil sie mit dem Fahrrad fahren, die anderen, weil sie sich auf Autobahnen festkleben und die dritten, weil sie kein Fleisch essen. Und am Schlimmsten sind die, die dann selbstgerecht mit dem Finger auf dich zeigen, wenn du zu MacDonald gehst. Jeder sieht den Splitter im Auge des anderen, aber alle schaffen es, locker den Balken im eigenen Auge zu übersehen. Krass.“

„Ja“, antwortete Herr K. „das geht mir genau so.“

„Aber“, fügte Herr K. nachdenklich hinzu, „wir sehen auch nur den Splitter im Auge des anderen.“

auch interessant: Herr K. und der Kellner – Peter K.

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Herr K. und der Kellner

Herr K. machte zusammen mit einem Begleiter ein paar Tage Ferien in der brandenburgischen Provinz. Nach einer anstrengenden Wanderung suchten sie ein Restaurant, was sich schwieriger als erwartet gestaltete, denn es gab nur wenige davon in der kleinen Stadt. Schließlich fanden sie eines mit bürgerlicher Küche und angenehmen Ambiente. Es war voll und so gab es nur an der Theke zwei freie Plätze. Sie bestellten einen mittelmäßigen Rotwein, dazu ein Kotelett mit Pilzrahmsauce und begannen, wie es bei Herrn K. und seinem Begleiter üblich zu diskutieren. Sie sprachen über Fontane, über die Übertreibungen der Medien, über Relevanz und Irrelevanz von Kausalzusammenhängen und streiften sogar die Kant’schen Urteile a priori.

Ein junger Kellner hinter der Theke folgte offensichtlich neugierig ihrer Diskussion und versuchte etwas unbeholfen und ein bisschen aufdringlich, sich am Gespräch zu beteiligen.

Herr K. und sein Begleiter befürchteten, dass der junge Mann sie mit dummen Stammtischparolen zutexten wolle und wichen den Anknüpfungsversuchen so gut es ging aus.

Als Herr K. und sein Begleiter schließlich bei dem jungen Kellner zahlten, brach es ungeduldig aus ihm heraus: „Bevor sie gehen, muss ich ihnen noch eine Frage stellen. Glauben Sie, dass es in diesem Land Meinungsfreiheit gibt?“

Jetzt sah sich Herr K. zu einer Stellungnahme gezwungen und antwortete: „Ja, natürlich gibt es Meinungsfreiheit in diesem Land, niemand wird wegen einer Meinung von Staats wegen verfolgt oder kommt dafür ins Gefängnis. Allerdings“, so fügte er hinzu, „gibt es den Druck der öffentlichen Meinung und dem kann man sich nicht entziehen. Dieser Druck ist manchmal schwer auszuhalten.“

Als Herr K. seine Rede beendet hatte, leuchteten die Augen des Kellners und er konnte seine Begeisterung kaum unterdrücken.

„Wissen Sie“, sprudelte es aus ihm heraus, „wie sie diskutieren, ist außergewöhnlich, vor allem im Gegensatz zu dem, was ich sonst hier zu hören bekomme. Sie sind wirklich Premium Gäste.“

Verblüfft über das unerwartete Kompliment antwortete Herr K. nun seinerseits unbeholfen: „Und sie sind ein Premium Kellner!“

Beschämt verließen Herr K. und sein Begleiter das Lokal.

auch interessant: Herr K. und die Politik – Peter K.